SELBSTREFLEXION – Projizieren wir unser inneres Befinden auf das, was andere sagen?

Teile diesen Beitrag

Vor einer Woche las ich einen Beitrag/Kommentar, der in etwa aussagte: Wenn eine Person dir sagt, dass du sie verletzt hast, kannst du nicht einfach entscheiden oder behaupten, dass du es nicht hast.

 

…und eigentlich stimme ich dem zu, denn es hilft kein bisschen, wenn man sagt: „Das war doch nur ein Scherz.“, nachdem man jemanden beleidigt, diskriminiert oder erniedrigt hat. Doch vor ein paar Tagen bekam ich im Rahmen eines Streites eine Erleuchtung, auf die ich hier gerne eingehen möchte.

 

 

Jeden Tag kommunizieren Menschen mit einander. Natürlich variiert die Zahl der Menschen, mit denen wir am Tag reden, abhängig davon, ob wir an dem Tag auf der Arbeit sind, oder unsere freien Tag zu Hause auf der Couch genießen. Täglich tauschen wir uns über WhatsApp, Facebook etc. aus oder reden mit der Familie, unseren Freunden oder dem Partner/Partnerin.

 

Fakt ist, egal was die Person uns sagt – wir fassten selten das Gesagte schlicht und einfach so auf, wie es uns gesagt wird.

Die Informationen gehen durch das gesamte Limbische System und werden analysiert und mit anderen Informationen und Wahrnehmungen gekoppelt. Dies führt dazu, dass wir in die Aussagen und Mitteilungen unseres Gegenübers Dinge hineininterpretieren und diese weiter ausbauen.

Schreibt unser Partner uns zum Beispiel, dass er sich auf heute Abend freut, könnte er damit natürlich auch meinen, dass er Abende als eine ganz angenehme Tageszeit empfindet. In diesem Fall würde es vermutlich jedoch eher bedeuten, dass wir mit ihm verabredet sind und er sich darauf freut, den Abend mit uns zu verbringen. Dies ist jedoch nicht Teil des Gesagten gewesen, es wurde lediglich so interpretiert und gedeutet.

 

Interpretationen oder Weiterführungen dieser Art geschehen die meiste Zeit automatisch und wir nehmen sie nicht einmal als solche wahr. Daher merken wir nicht, wie wir manchmal auf ein und dieselbe Situation unterschiedlich reagieren, abhängig davon, wie wir uns fühlen.

 

Ein Beispiel:

Wir haben die Gewohnheit uns mit unseren Freunden gegenseitig zu necken und zu triezen, ohne dass man es sich übel nimmt. Wir wissen genau, dass unsere Freunde es genauso wenig erst meinen, wie wir selber und das sie uns eigentlich lieben. Dennoch kommt es vor, dass wir an stressigen Tagen, wenn wir gereizt sind oder einen schlechten Tag haben, solche Sprüche als einen Angriff auffassen oder anders reagieren, als gewohnt. An der Situation hat sich nichts geändert. Unser inneres Befinden ist der Auslöser für unsere Reaktion.

Daraus kann man schließen, dass die Interpretation und Weiterverarbeitung im Gehirn von der mentalen, aber auch der emotionalen Verfassung des Menschen abhängt.

 

Nehmen wir als Beispiel folgenden Satz:

Ich liebe Mathe!

Ist etwas ohne Zusatz oder Erklärung niedergeschrieben, ist es oft neutral und bekommt erst durch die Art des Lesers, das Geschriebene zu lesen, Bedeutung verliehen.

In diesem Fall könnte man den Satz so deuten, dass eine Person das Fach Mathe sehr gern hat, da es ihr vielleicht gelingt oder da sie Spaß dran hat. Sie könnte das Fach auch wegen der Mitschüler gern haben oder da sie den Lehrer sehr gern mag.

Auf der anderen Seite könnte man den Satz auch mit einem sarkastischen Unterton lesen.

Ich „liebe“ Mathe! -.-

Dabei hängt vieles mit unseren eigenen Empfindungen zusammen. Diese müssen nicht einmal etwas mit der Situation zu tun haben.

 

Gleichzeitig ist zu unterscheiden, ob es sich bei der inneren Instabilität um eine temporäre Gereiztheit oder um eine permanente psychische Krankheit (z.B. Depressionen, bipolare Störung etc.) handelt. Wenn wir grundsätzlich dazu neigen alles negativ aufzufassen, mit uns unzufrieden und unglücklich zu sein, projizieren wir diese innere Unzufriedenheit auf unser Umfeld. Wir haben das Gefühl, dass niemand uns mag und alle uns was tun wollen. Wir kapseln uns ab und meiden den Kontakt zur Außenwelt. Falls wir dann doch mit jemandem in Kontakt treten sollen, sind wir selbst eine tickende Zeitbombe.

Ein harmloser Satz unseres Gegenübers, wie „Das Wetter ist heute toll!“, kann uns aus der Fassung bringen. Wir interpretieren hinein, dass unser Gegenüber sich verpflichtet fühlt, uns das mitzuteilen, weil wir ja gar keine Freunde haben, mit denen raus gehen, um das schöne Wetter zu genießen und dass wir nie etwas unternehmen, weil wir so faul sind. Dadurch fühlen wir uns verletzt und angegriffen und merken nicht einmal, dass unser Gesprächspartner so etwas nie gesagt hat und noch weniger gemeint hat und dass wir unser eigenes Empfinden, wie eine Schablone, auf das Gesagte legen.

Die Gefühle und Emotionen die wir dabei empfinden waren da, noch bevor unser Gesprächspartner etwas gesagt hat.

Doch in dem Moment schieben wir ihm die Schuld zu und entfachen einen Streit, in welchem unser Gegenüber keine Chance hat. Dies ist nicht nur stressig und schlecht für uns, es ist vor allem falsch und unfair gegenüber unseren Freunden, da diese in solchen Situationen nicht einmal wissen, was überhaupt passiert ist.

Ausgangspunkt war der Satz „Das Wetter ist heute toll!“, alles was danach kam, gesah binnen Millisekunden in unserem eigenen Kopf und ist für unser Gegenüber nicht zugänglich.

Auf diese Art und Weise kann man nicht nur sich selbst die Laune vermiesen, sondern die eigenen Freunde in die Flucht schlagen.

 

Um noch einmal auf den anfänglichen Beitrag zurückzukommen:

In Situationen wie diesen sind wir zwar verletzt, aber wir waren auch selber der Auslöser. Es hilft daher nicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen und zu sagen: „Du bist schuld!“

Ferner noch ist es unfair und äußerst verantwortungslos gegenüber dem Gesprächspartner und Freund, den man beschuldigt….

…. denn wie ein koreanisches Sprichwort sagt:

 

No Comments

Leave a Comment